Norge

Zwei Cousins auf Norwegenrundreise

Oder

Voll Vetter Urlaub

 

1995 fuhren meine Eltern auf Norwegen Rundreise mit dem Mercedes 107 SL Club!

Natürlich gab es Telefonate, Postkarten und nach Ende der Reise einige Mitbringsel von dort. Nach einigen Abenden mit Reiseberichten stand für mich fest da muss ich auch hin!

Also fing ich an zu planen! Die Reiseroute hatte der Stammtischvorsitzende des Mercedes R/C 107 SL Club (Dieter Jansen† Januar 2000) perfekt ausgearbeitet. Das Fahrzeug meiner Wahl war natürlich mein MG B!

Da das Budget eines jungen Heizungsbauergesellen nicht so prall war und das meiner damaligen Freundin als Restaurantfachfrau auch nicht, sollte es also mit dem Zelt los gehen. Ich kaufte und lieh mir dann in einem Jahr Vorbereitungszeit alles zusammen, was mann so braucht. Ein MG hat natürlich nicht so einen großen Kofferraum, doch man braucht zum Campen doch so einiges, also blieb das Ersatzrad erstmal zu Hause, da ich den Wagen auf Speichenfelgen fuhr kaufte ich eine Dose Reifen-Pilot und einen Ersatzschlauch, denn den kann man ja überall montieren lassen und weiter fahren, was bei schlauchlosen Reifen nicht so einfach ist.

Nun ist ein Jahr eine lange Zeit für das junge Glück einer der ersten Beziehungen und so kam es wie es kommen musste „ Schluss“!

Und jetzt?

Der Reisezug, die Fährpassagen u.s.w. waren gebucht und bezahlt. Ich fragte Freunde, Bekannte und Schulkollegen, aber nichts! Keine Zeit, kein Geld, keine Lust. Und nur noch 3 Wochen bis es losgehen sollte!

Dann aber die Rettung! Meine Tante rief an und fragte was denn der Trip kosten sollte, und so kam es dass ich den Norwegen Urlaub mit meinem Cousin Jens verbrachte.

Früh morgens ging es los mit dem MG und einer Riesen “Zarges“ Alubox als Speichererweiterung auf dem Gepäckträger nach Dortmund zum Verladebahnhof des DB-Autozuges, der und die erste Etappe bis nach Niebüll stressfrei und mit Frühstück bis an die Dänische Grenze brachte. Tolle Sache 500 Km ohne Pause und Stau!

Von Niebüll dann „nur noch eben“ durch Dänemark nach Hirtshals zum Fähranleger.

Geschafft! Erste Etappe abgehandelt, doch war es ja schon nachmittag! Folglich kam das Schiff mitten in der Nacht in Kristiansand an uns wir waren hundemüde! Also fuhren wir kurzerhand in den Yachthafen und versuchten im Auto zu schlafen, was auch nicht so toll war!

Gerädert und schmerzgequält ging es dann morgens um 6Uhr zum ersten Zeltplatz „Byglands-Fjord“! wo wir unser erstes Lager aufschlugen!

Müde wie ich war legte ich mich dann mit freiem Oberkörper in die Sonne und verschlief prompt den schönen Tag in der Sonne und sah später aus wie ein Streifenhörnchen. Beine verbrannt, Lendenbereich durch die kurze Buxe verdeckt weiß, Bauch rot, dann unter den verschränkten Armen wieder weiß und der Rest wieder rot, also wer sagt in Norwegen ist nur schlechtes Wetter und Regen, der hat mich dort nicht gesehen. Selbst kalt duschen war zu heiß!

Das Phänomen an Norwegen ist, man kommt wirklich mit jedem in`s gespräch so auch wir einer Familie aus Rheinberg, mit denen wir leider keine Adressen getauscht haben und einem deutschstämmigen Mitarbeiter des Örtlichen Fremdenverkehrsbüro´s, der ursprünglich bei einer Fährgesellschaft arbeitete, die eine tägliche Linie Amsterdamm- Kristiansand befuhr, bis das Fährschiff ausbrannte.

Am folgenden Tag ging es weiter. Alles wieder in den Kofferraum und die Aul-Box und los.

Vorbei an majestätischen Wasserfällen und unendlichen Fjorden. In mitten einer Kirschbaumplantage fanden wir unser nächstes Lager. Niemand da zum anmelden! Also fragten wir uns durch bei den Campern, die schon da waren und man sagte uns stellt euer Zelt irgendwo hin zum kassieren kommt schon irgendwann jemand, das sei in Norwegen so.

Hier trafen wir eine Familie aus der Ex-DDR mit einem VW-Camper mit 4 Personen. Unter dem Bett war alles mit Bierdosen ausgefüllt!

Der Junior fing an ein Schlauchboot mit der Fußpumpe auf zu blasen, so ein richtig großes! Wir hatten schon in Erfahrung gebracht, dass es ein Boot gab, mit dem man für lau raus fahren konnte, doch sie ließen sich nicht beirren weiter zu pumpen. Es dauerte Stunden bis das Boot voll war. Und ein paar Bier später ging es raus auf den Fjord mit der Angel das Abendessen fangen! Wir hatten schon vorgesorgt und uns was zum Grillen besorgt. Als es dann später Abend war kam die Familie mit ihrem Schlauchboot zurück. Die Kalorien die der gewünschte Fisch zum Abendessen bringen sollte wurden dann aus ein paar Bier bezogen! Petri-Heil!

Unsere Reise führte uns weiter in Richtung Geiranger Fjord wo bei uns noch ein paar weitere Anekdoten passierten, wie z.b. die ältere Dame mit der Berliner Schnauze die aus dem Kennzeichen WES-R 629 (Wesel) ableitete “Na, kommta aus Westastede?“ oder das Ehepaar aus Holland, das schon seit 6 Wochen in Norwegen unterwegs war und der Mann meinte“ meine Rente kann ich an jedem EC-Automaten abholen, wir bleiben bis wir keine Lust mehr haben!“

Ps.: Alkohol und Rauchen.

Als wir in Flam angekommen waren, einem kleinen touristischen Dorf, das man nur erreicht, in dem man von Aurland aus eine lange unbeleuchtete Tunnelröhre passiert, gingen meinem Cousin die Zigaretten aus und wir gingen zum Kiosk eine Schachtel Barcleys und eine Dose Bier 24 DM. Da wussten wir auch warum die Ost Familie alles voll Bier hatte.

Unterwegs übernachteten wir auch in einer der bekannten Hütten, die man für kleines Geld mieten konnte, wenn man früh genug war. So ab 14:00 Uhr waren die nämlich alle vergeben.

Bei Regenwetter beeilten wir uns also und folgten den Schildern“ Hytter Ledig“ um so eine Übernachtungsmöglichkeit zu ergattern! Die Hütten gibt es in der Regel für 2-6 Personen mit Betten, Tisch und Stühlen so wie Kochgelegenheit und Kühlschrank. Die Sanitäranlagen wurden immer beim dazugehörigen Campingplatz mit genutzt. An einem Regentag mieteten wir uns auch in Balestrand in ein Hytter ein um uns beim Zeltaufbauen nicht nass regnen zu lassen. Dort gab es auch das das unvergleichlich schöne Kwikne Hotel, das komplett aus Holz gebaut wurde.

Bei der Fährüberfahrt über den Geiranger Fjord hielten wir dann Ausschau nach den so genannten „ Sieben Schwestern“, welche nicht etwa extrem hübsche Mädchen sein sollten, sondern imposante Wasserfälle, von denen uns jeder vorschwärmte! Wir haben sie nicht gesehen!!! Also bitte liebe Norweger…. Schilder aufstellen! Vielleicht erkenne ich sie beim nächsten mal!

Nach der Geiranger Passage ging es einen steilen Bergpass hinauf von dessen Höhe man das Geiranger Postkarten-Motiv zu sehen bekam und als wir dachten hier kommt jetzt nichts mehr, hier ist die Zivilisation zu ende, ging es doch weiter mit einigen kleinen Ortschaften deren Mittelpunkt meistens eine Tankstelle bildete, wo man nicht nur Benzin einkaufte, sondern auch den Rest den man zum leben brauchte wie Lebensmittel, WC-Papier und Bootsmotoren.

Doch nach all den tollen Landschaften sollte das Hihg-light noch kommen.

Wir passierten eine eindrucksvolle, aber karge Hochebene mit einem riesengroßen See und kamen in eine Landschaft mit Pinienwäldern und Flüssen wo wir auch übernachteten und ich kurz der Meinung war dass ich die Reise alleine fortsetzen würde.

Wir schlugen unser Lager auf einem Campingplatz auf, der direkt an einem reißenden Gebirgsfluss gelegen war mit einem tollen Schwimmbad, dass ohne Filteranlage betrieben wurde, da das Becken immer mit frischem Wasser aus dem Fluss gespeist wurde.

Also fing ich am Abend an mich um unser Essen zu kümmern  und Cousin Jens meinte „Ich sehe schon mal zu, dass unsere Cola kalt wird“. So befestigte er unsere Getränke an einer Leine, und wollte so dafür sorgen, dass sie kalt würde. Er ging also zum Fluss runter und Minuten später schrie eine Frau wie am Spieß “Da treibt einer im Wasser“. Ich ließ alles stehen und liegen und rannte runter zum Ufer und sah meinen Cousin mal über Wasser mal unter Wasser. Sofort machte ich kehrt und lief zum Campingplatzbesitzer, der sofort reagierte und mit mir kam. Ich hatte echt „Schiss“ Was passiert mit Ihm? ....Was sage ich zuhause, wenn ich alleine zurück komme?....

Zurück am Unglücksort sah ich Jens. Er schlug sich trief nass durchs Gebüsch und kam auf uns zu. Er hatte es geschafft! Irgendwie ist er an Land gekommen. Als er uns sah meinte er nur trocken “Wir haben nichts mehr zu trinken! Ich habe das Ende der Leine nicht festgehalten!“ War mir dann auch egal! Hauptsache der Cousin kam nicht im Zinksarg nach hause! Am Abend hatten wir dann noch ein interessantes Gespräch mit dem Platzwart, der auch bei der örtlichen Rettungsmannschaft Dienst tat. Er bot uns an Jens Kleider bei Ihm zu Trocknen und wir tranken zusammen ein Bier. Im Gespräch sagte er „ man du hast echt Glück gehabt, aus dem Fluss ist der letzte so vor 10 Jahren lebend raus gekommen!“ Ich glaube Jens ist da jetzt so eine Art Held.

Frisch mit Adrenalin gestärkt ging es am Morgen weiter Richtung Lillehammer, dem Austragungsort Olympischer Spiele. Dort besichtigten wir die Sprungschanze und das Freilichtmuseum Maihaugen, das außen und innen das traditionelle Leben der Norweger in verschiedenen Jahrzehnten zeigt. Außen konnte man sogar eine Schnapsbrennerei besichtigen, die in einem ausgehöhlten Baumstamm versteckt war, aus der Zeit als Alkohol in Norwegen noch verboten war! Also wurde „Schwarz“ gebrannt.

Zwischendurch begegneten wir einem Enduro Fahrer aus Hannover auf einem Campingplatz, der nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin seinen Frieden in einer Alleinunternehmung zum Nordkap finden wollte. Mir wär´s zu langweilig gewesen! Aber dennoch war er für eine kleine Randanekdote gut, denn sein Kennzeichen war H-SB ??? und so heißt er in Erzählungen nur noch Sopper-Burschi. Und wie immer keine Adressen getauscht! Schade!

Dann kamen wir auf unsrer letzten Station vor Oslo auf einen schönen Campingplatz direkt am Fjord. Wir saßen beim Abendbrot Beefburger vom Grill und auf ganz besonderen Wunsch von Jens Mr. Lee´s Asia Nudeln. Einfach Wasser drüber und fertig! Als wir ein Motorgeräusch hörten, wie ein Motorrad auf einem Bergpass, nur ohne schalten! Das Geräusch kam näher und näher, bis wir durch unser Blickfeld auf den Fjord (so 200m) ein blitzschnelles irgendwas sausen sahen! Bei einem späteren Spaziergang zum Hafen sahen wir dann das was wir beim Abendbrot nur kurz sehen konnten. Ein Böötchen, etwa so groß wie ein einfacher Küchentisch mit einem Außenborder auf dem Stand 240HP V6. Der Wahnsinn!

Die Nacht und der folgende Tag mit der Fahrt nach Oslo waren eigentlich ziemlich unspektakulär, Autobahn eben, doch Jens hatte etwas andere Freuden. Mr. Lee hatte noch jemanden mitgebracht! Nämlich den flotten Otto. So fielen die geplanten Museumsbesuche in Oslo aus, denn wir wollten neben der Olympiaschanze noch die Schiffe Kontiki und Ra 2 von Thor Heyerdahl sehen. So gab es lediglich die Ski Sprungschanze, die sich in majestätischer Art fast frei schwebend über Oslo erhebt. Wirklich ein Besuch wert!

Am letzten Tag nach einer dann wieder ruhigeren Nacht mit Tee und Gebäck fuhren wir dann zum Check-in in den Hafen. Vorsorglich hatte ich mir Kleingeld besorgt, denn wer durch Oslo will, der muss löhnen! Nach dem man sein Kleingeld in eine Art trichterförmigen Abfalleimer geworfen hat ging eine Schranke auf und wir konnten in die Stadt fahren.

Auf dem Schiff bezogen wir dann unsere Kabine. Das war auch im Vorfeld schon so eine Sache! Wir hatten Schlafsessel gebucht und mit jeder Unterhaltung mit verschiedenen Reisebekanntschaften telefonierte ich wieder mit der Reederei Colorline. Also Schlafsessel waren nach der Hinreise schon keine Option mehr für uns, denn da schläft man auf einer Art Fernsehsessel in einem Saal mit jeder Menge anderen Reisenden neben einander und schnarcht um die Wette. Also buchte ich direkt nach Ankunft in Norwegen auf eine Kabine Mittschiffs um! „Unterdeck, Leichte Motorengeräusche hörbar“. Doch dann sprachen wir mit anderen Urlaubern über unser vorhaben und die erwiderten sofort“ ach das ist da, wo sich immer alle in´s Koma trinken um überhaupt schlafen zu können! Also Telefon raus Colorline angerufen und umgebucht Deck 5 Innenkabine, mehr steckte nicht mehr drinn.

Also an Bord machten wir uns auf Erkundungstour durchs Schiff mit Abendessen im Kristallroom und alles was da zu gehört.

Nach dem Essen schauten wir uns mal an wo wir ursprünglich unsere Unterkunft gebucht hatten Mittschiffs im Bauch der Fähre “Leichte Motorengeräusche“ wie es im Prospekt hieß war echt ein scherz. Kabine so groß wie ein Schuhkarton, WC und Dusche auf dem Gang und richtig Laut.

Zum Abschluss gab´s noch was zu trinken an einem der Panoramafenster seitlich am Schiff.

Jens meinte „Ich geh noch mal zu WC“ und ich „Ich warte hier“, so wartete ich… viertel Stunde… 20 Minuten, aber kein Jens! Als ich mich dann mit meinem Coctailsessel umdrehte und umher sah fand ich meinen Cousin wild winkend in einem der gläsernen Aufzügen, der seinen Dienst eingestellt hatte. Es dauerte eine weitere viertel Stunde bis jemand den Aufzug wieder in Bewegung setzte und Jens wie ein geölter Blitz losschoss mit den Worten „in einem Lift sollte es ein WC geben“. Nach verrichten seiner Notdurft tranken wir aus und legten uns in unserer Kabine zur Ruhe. Hier waren leichte Motorengeräusche hörbar und Dusche und WC gab´s auf dem Zimmer!

Nach 19 ein halb Stunden kamen wir morgens frisch ausgeruht und mit einem tollen Frühstück gestärkt in Kiel an und hatten nur noch ein paar hundert Km Autobahn vor der Brust. Zuhause wurden wir mit unseren Wickinger-Mützen auf dem Kopf die wir auf der Fähre gekauft haben empfangen

Ein schöner Urlaub und eine echt tolle Erfahrung zum ersten Mal so weit weg von zuhause.

Vor allem freute ich mich dass mein MG so toll Störungsfrei diese ganzen vielen Km gelaufen hatte.

 

Bilder gibt es Später!